Raus zum ersten Mai – Oder lieber zu Hause demonstrieren?

Raus zum ersten Mai – Oder lieber zu Hause demonstrieren?

1 Mai 2020

Der erste Mai – für den ein oder anderen ein ganz besonderer, wenn nicht sogar der wichtigste Tag des Jahres. Der „Tag der Arbeit“, wie er offiziell genannt wird, ist nicht etwa dafür gedacht, noch mehr als sonst im Büro zu sitzen, um seinen Arbeitsplatz zu würdigen, trotz schlechter Bedingungen oder Bezahlung. Nein, ganz im Gegenteil! Es ist jener Tag, an dem du dich dagegen wehren solltest, ausgebeutet zu werden: für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Und das nicht ohne Grund.

Angefangen mit Demonstrationen am 1. Mai 1886: Ausgehend von der nordamerikanischen Arbeiterbewegung versammelten sich eine halbe Million Menschen in Amerika zu einem Generalstreik, um für die Durchsetzung des 8-Stunden-Tags und bessere Bedingungen zu kämpfen. Bereits 4 Jahre später schwappte die Tradition nach Europa – Vertreter sozialistischer Parteien, unter anderem Vorläuferparteien der SPD sowie Gewerkschaften, meldeten massenweise Kundgebungen in vielen europäischen Ländern an. Denn genauso wie in Amerika herrschten in Deutschland schlechte bis noch schlechtere Arbeitsbedingungen.

Und man mag es nicht glauben, doch diese bestehen zum Teil bis heute. Einige Probleme dagegen, wie die Arbeitszeitbegrenzung auf 8 Stunden pro Tag oder der lange geforderte Mindestlohn, konnte man in die Realität umsetzen: Die Arbeiterbewegung, welche seit dem 1. Mai 1890 jedes einzelne Jahr mit ihren Forderungen auf die Straße ging, hat einen nicht unbedeutenden Anteil an diesem großen Erfolg. Doch es darf noch lange nicht Schluss sein. Nicht nur die schlechte Arbeit, auch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus oder Homophobie ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Aus diesem Grund heißt es noch heute: raus zum ersten Mai! Für Freiheit, Gleichheit und Solidarität.

Doch dieses Jahr liegt der schon so lang bestehende Feiertag einem besonderen Motto zu Grunde: „am 1. Mai zu Hause bleiben“. Denn seit einigen Monaten beschäftigt die Welt, also auch Deutschland, die Corona-Pandemie, ein Lungenentzündungen-auslösender, in einigen Fällen auch tödlicher Virus, welcher sich rasant seit Dezember 2019 auf der ganzen Welt ausbreitet. Um die Infektionsrate so klein wie möglich zu halten, war es in einigen Ländern unumgänglich, sogenannte Ausgangsbeschränkungen zu veranlassen. Deutschland dagegen bekam ein Kontaktverbot, Schulen und Kitas wurden geschlossen.

Gut für uns und unsere Gesundheit, schlecht jedoch für die Wirtschaft. Denn auch diese mussten zum Teil ihre Arbeit aufs Eis legen. Und genau hier liegt das Problem. Kein Betrieb heißt weniger Umsatz, heißt weniger Geld steht zur Verfügung, um Beschäftigte zu bezahlen. Einige Unternehmen kommen dadurch nicht drum herum, Kurzarbeitergeld zu beantragen (das bedeutet weniger Arbeit und weniger Lohn für Mitarbeiter*innen) oder gar zu kündigen. Eine Katastrophe für alle Betroffenen. Bereits heute wird zwar einiges getan, um Gerechtigkeit zu schaffen, sei es durch die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes oder der finanziellen Unterstützung von Familien, doch auch nach der Krise darf es keine Nachteile für die arbeitende Bevölkerung geben. Genau deshalb ist der 1. Mai in diesem Jahr unbedingt notwendig. Doch auch hier steht die Pandemie allem entgegen.

Obwohl das generelle Demonstrationsverbot bereits durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, ist eine Demonstration in Form der Vorjahre keinesfalls möglich. Strikte Auflagen wie maximal 50 Personen pro Versammlung, 1,5 Meter Abstand oder das Überprüfen auf Symptome jedes Teilnehmers durch den Anmelder, gehören in diesem Jahr zum Pflichtprogramm. So richtig laut wird es bei dieser sogenannten Kästchendemo wohl eher nicht und gefährlich ist es noch dazu. Denn infizieren kann sich jeder, sei es durch Missachtung der Auflagen oder außerhalb der Versammlung auf Hin- und Rückweg.

Nicht ohne Grund kündigte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) an, keine Präsenzdemo anzumelden – eine Zäsur in der Geschichte des Gewerkschaftsdachverbandes. Doch zu aller Überraschung bekommt die Tradition einfach einen neuen Anstrich. Ein Livestream mit Videobeiträgen, Redebeiträgen und Musik ersetzt die alljährliche Demo: ganz nach dem Motto des digitalen Zeitalters. Ob diese Methode das bringt, was sich ihre Veranstalter*innen erhoffen, bleibt offen. Doch eines ist klar: ob Virus oder ein anderes Hindernis, egal was sich in den Weg stellt. Die Arbeiterbewegung hat damit angefangen und wird, bevor das Optimum nicht erreicht ist, auch nicht aufhören, in Form von Gewerkschaften und Parteien für Gute Arbeit zu streiten.

Für Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität!

Freundschaft!

Franz Ellenberger

Franz Ellenberger

FSJ-Politik