Rede von Dorothea Marx zum Prüffall AfD

Rede von Dorothea Marx zum Prüffall AfD

17 Okt. 2019

In Ihrem auf Ablösung des Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz gerichteten Antrag beanstanden Sie vor allem eine angeblich unrechtmäßige und fehlerhafte Einstufung der Thüringer AfD zu einem Prüffall des Amtes.
Dabei tun Sie in Ihrer Empörung so, als ob Ihr Verhältnis zur Verfassung willkürlich auf die Agenda des Amtes gelangt wäre, und Ihnen daraus ein Schaden entstünde.
Ich frage Sie, welcher Schaden soll das denn sein, wenn selbst Sie – jawohl SIE – das Amt doch schon vor zwei Jahren aufgefordert haben, eine Unterwanderung Ihrer Partei , jawohl IHRER PARTEI durch verfassungswidrige Kräfte zu überprüfen. Sie erinnern sich nicht?
Dann darf ich hier zitieren:
Laut einer Mitteilung der Thüringer AfD-Landtagsfraktion habe die Partei bereits Unterwanderungsversuche seitens der FPA und Thügida verhindert. Um weitere Versuche der Neonazis zu unterbinden, habe die Fraktion eine Anfrage an das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gerichtet. Dieses war aber laut AfD nicht gewillt, der Partei über mögliche Verbindungen zu Rechtsextremisten Auskunft zu geben. Der Verfassungsschutz verwies auf die Geheimhaltung. „Wenn es also tatsächlich weitere extremistische Absichten einer Unterwanderung der

AfD in Thüringen gibt, wäre es ein Gebot der Prävention, dies der Partei umgehend mitzuteilen“, appelliert der Thüringer AfD-Sprecher Stefan Möller an den Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer.
Zweifel an Ihrer Verfassungstreue, namentlich gegenüber Ihnen, dem Flügelführer Herrn Höcke, wird seit Jahren ständig aus den Reihen Ihrer eigenen Partei geäußert. Den Höhepunkt markierte in diesem Jahr laut Berichterstattung vom 5.6.2019 der Co-Chef Ihres AfD-Landesverbandes NRW, der -bebildert mit Ihrem Konterfei und dem des Herrn Goebbels – das Wolfs-Zitat von Goebbels, dem Wolfs. Zitat aus Ihrem Buch gegenübergestellt hat.
Ich nenne beide Zitate: „So wie der Wolf in die Schafsherde einbricht, so kommen wir“ und „Wir müssen uns entscheiden, ob wir Schafe oder Wölfe sein wollen und wir entscheiden uns dafür, Wölfe zu sein“.
Und es ist ja auch nicht nur unser VS-Präsident, der Ihren Landesverband zunächst (nur) zum Prüffall erklärt hat, beim Bundesamt befinden Sie sich mit Ihrem Flügel mittlerweile schon auf der nächsten Stufe, dem Level 2, da sind Sie seit diesem Frühjahr bereits ein Verdachtsfall.
Ihr Name, Herr Höcke, kommt im Gutachten des Amtes zu verfassungswidrigen Bestrebungen der AfD vom 15.1.2019 über 60mal! vor.
Einen eigenen Abschnitt hat das Bundesamts-Gutachten der Frage gewidmet, ob Sie mit dem Autor Landolf Ladig identisch sind, und es ist zum Schluss gekommen, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei.

Auch das hat schon viel früher Ihre eigene Partei interessiert. Wir lasen schon im April 2017: Ist Björn Höcke „Landolf Ladig“? Das geht aus dem Anwaltsgutachten hervor, das im Auftrag des AfD-Bundesvorstandes für das Parteiausschlussverfahren erstellt wurde. Das Gutachten unterstellt dem umstrittenen Thüringer Landeschef Björn Höcke, unter dem Pseudonym die NPD gelobt zu haben und beruft sich dabei auf wissenschaftliche Analysen.
Und warum interessiert das bis heute nicht nur Ihren Bundesverband, sondern auch den VS und uns hier?
Dazu möchte ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und Ihnen, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer zwei Zitate aus Landolf Ladigs Texten in Erinnerung rufen
1. „Eine Ahnung schleicht sich dabei vielleicht bei immer mehr gebildeten Angelsachsen ein, dass eben nicht die Aggressivität der Deutschen ursächlich für zwei Weltkriege war, sondern letztlich ihr Fleiß, ihre Formliebe und ihr Ideenreichtum. Das europäische Kraftzentrum entwickelte sich so prächtig, dass die etablierten Machtzentren sich gezwungen sahen, zwei ökonomische Präventivkriege gegen das Deutsche Reich zu führen. Der zweite Krieg war allerdings nicht nur ökonomisch motiviert, sondern darf auch als ideologischer Präventivkrieg angesprochen werden, hatte sich im nationalsozialistischen Deutschland doch eine erste Antiglobalisierungsbewegung staatlich etabliert, die, wären ihr mehr Friedensjahre zur Erprobung vergönnt gewesen, wahrscheinlich allerorten Nachahmer gefunden hätte.“[954] Ladig, Landolf: „Krisen, Chancen und Auftrag. Deutsche Impulse überwinden den Kapitalismus“, in: „Volk in Bewegung“, Nr. 5/2011, S. 6.

2. „Seit 1964 ist die NPD die einzige politische Kraft, die sich gegen alle Widerstände für das Lebensrecht unseres Volkes eingesetzt und immer wieder auf die verhängnisvolle Kombination von Massenzuwanderung und deutschem Geburtenschwund hingewiesen hat.“[956] Ladig, Landolf: „Was wird aus unserer Heimat? Der demographische Wandel ist kein Naturgesetz!“, in: „Eichsfeld- Stimme“, Jg. 4, Ausgabe 8, S. 1. Das BfV kommt zum Schluss: „Die (…) analysierten „Ladig“-Texte bringen eine zweifelsfrei verfassungsfeindliche Haltung zum Ausdruck. Die dezidiert positive Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus als Idee und die radikalrevisionistische Umdeutung der den Zweiten Weltkrieg auslösenden Ursachen implizieren inhaltliche Positionen, die in unüberbrückbarem Gegensatz zum Kernbestand Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. Folgerichtig bekennt sich „Ladig“ in seinen Texten vorbehaltlos auch zur „identitären Systemopposition“.“
2017 hat Ihre Partei, ja, IHRE PARTEI, Sie aufgefordert, eidesstattlich zu erklären, dass Sie NICHT Landolf Ladig sind. Haben Sie abgelehnt. Dazu „sei alles gesagt“ – Sie werden sich dazu nicht mehr äußern. Schon 2017.
Was soll das sein? „Ich bin es nicht gewesen, aber beschwören möchte ich das nicht“.
Und auch heute werden Sie sich vermutlich wieder nicht dazu äußern. Im Rahmen der Ihnen von Ihrem – wie Sie ihn nennen – geistigen Manna-Lieferanten – Herrn Kubitschek empfohlenen

Selbstverharmlosungs-Strategie wollen Sie ja bis zum Wahltag auch keine Interviews mehr geben.
Der Wolf ist derzeit verschnupft und hat sich mit der Mütze der Großmutter ins Bett verzogen, damit Sie, liebe Wählerinnen und Wähler Ihre Stimmen für die Thüringer AfD unbelastet von Zweifeln dem Rotkäppchen ins Körbchen legen können, die ihm dann zum Verzehr angereicht werden.
Aber, Herr Höcke, wissen Sie was? Die Frage, ob Sie Landolf Ladig sind, müssen Sie heute hier vorne am Rednerpult auch nicht beantworten, es reicht ein Stift: Ich hab da nämlich etwas für Sie und uns alle hier vorbereitet, und zwar eine eidesstattliche Erklärung, die Sie, ohne ein einziges Wort sagen zu müssen, einfach nur unterschreiben brauchen.
Dann wäre das endlich erledigt, ohne dass Sie weiter als Drückeberger dastehen.
Das BfV hat allerdings noch viele weitere Zitate von Ihnen aufgegriffen, ich nehme nur eine Äußerung heraus, die auch schon hier im Thüringer Landtag gefallen ist.
Die AfD ist die letzte evolutionäre, sie ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland. […] (Höcke, Björn: Rede bei der Jungen Alternative in Dresden am 17.01.2017, Videomitschnitt, veröffentlicht in: www.youtube.com, Kanal „AfD und PEGIDA in Dresden – Die Dokumentation“ am 18.01.2017.)

Diese Äußerung beurteilt das Bundesamts-Gutachten wie folgt:
„Demokratische Entscheidungen werden nur akzeptiert, wenn diese zu einer Machtübernahme durch die AfD führen. Im Fall des Scheiterns der AfD gelte: „Danach kommt nur noch: Helm auf.“
Und wenn dann vor 8 Tagen sich in Halle jemand einen Helm aufgesetzt und bewaffnet auf den Weg gemacht hat, den Feminismus, Juden und Muslime beschimpfend, müssen Sie sich doch nicht wirklich darüber wundern, in die Reihen der geistigen Brandstifter eingeordnet zu werden.
Wir trauern um die Opfer, sind erschüttert von dem geplanten Blutbad unter jüdischen Mitbürgern und müssen Verhöhnungen derer erleben und abwehren, die durch glückliche Umstände nicht ermordet wurden.
Neben dem blanken Zynismus offenbaren sich bei Mitgliedern Ihrer Partei tiefe Abgründe im jeweiligen Weltbild. Was heißt es denn, zu fragen, wie es der sächsische AfD-Landtags-Abgeordnete Roland Ulbrich getan hat „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“ oder der vom AfD-Bundestagsabgeordneten Herrn Stephan Brandner weiterverbreitete Tweet „Die Opfer des Amokläufers von Halle waren – Jana, eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte, -Kevin S., ein Bio-Deutscher . Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“
Was heißt das denn? Das bedeutet beide Male, dass Jüdinnen und Juden, die seit Jahrhunderten in Deutschland verwurzelt sind, abgesprochen wird, deutsche Mitbürger zu sein.
Das ist nichts anderes als 1:1 der völkische Rassenbegriff des Nationalsozialismus, der in Ihren Reihen vertreten wird!

Und deshalb nehme ich und nehmen wir von Ihnen keine Belehrungen darüber entgegen, wie und von wem die Verfassung zu schützen ist. Ihr „Haltet den Dieb“-Geschrei ist durchsichtig und verlogen.
Sie bezichtigen unseren Verfassungsschutz-Präsidenten mangelnder Neutralität. Das ist so wie bei Ihrer ständigen Einforderung von angeblich fehlender Toleranz Ihnen gegenüber. Damit meinen Sie, dass Ihnen nicht widersprochen werden soll.
Und zusätzlich erinnert mich das an Debattenbeiträge von Ihrer Seite hier im Parlament, die besondere moralische Tiefpunkte markierten. Unvergessen Ihr Ansinnen, die Kirchen aus der Härtefallkommission für Flüchtende zu entfernen, weil die Kirchen mit ihrem Nächstenliebe-Ansinnen nicht „neutral“ wären. Mit der gleichen Logik gehört der Kinderschutzbund nicht mehr zu Kinderanliegen befragt und das Rote Kreuz nicht mehr zur Organisation von Rettungsdiensten. Die sind auch nicht neutral, die wollen Kinder schützen und Menschen retten. Und – jetzt müssen Sie ganz stark sein – unsere Verfassung ist auch nicht neutral. Sie schützt die Menschenwürde und freie gleiche und geheime Wahlen. Weshalb sich eine Partei, die androht: Wenn Ihr uns nicht wählt, gibt‘s einen Umsturz und auf die Fresse, klar vom Boden der Verfassung entfernt.
Ach. Und gleich werden Sie sagen, so haben Sie das doch niemals gemeint…
Aber Sie, Herr Höcke, haben es doch beschrieben:
„Ich bin sicher, daß – egal wie schlimm die Verhältnisse sich auch entwickeln mögen – am Ende noch genug Angehörige unseres Volkes vorhanden sein werden, mit denen wir ein neues Kapitel unserer Geschichte aufschlagen können. Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ (Sebastian Hennig/ Björn Höcke: „Nie zweimal in denselben Fluß“, Lüdinghausen und Berlin 2018, S. 257.)
Unsere Verfassung erlaubt nicht nur die Abwehr von Angriffen auf ihre Werte und Grundsätze. Sie schreibt diese Abwehr verpflichtend vor. Das nennt sich wehrhafte Demokratie. Art. 97 unserer Thüringer Verfassung fordert hierzu eine besondere Landesbehörde, auf diesem Verfassungsauftrag fußt unser Amt für Verfassungsschutz. Zu diesem Amt und seinem Präsidenten stehen wir.
Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich und mit Hochachtung bei dem Präsidenten des Thüringer Amtes für Verfassungsschutz Stephan Kramer dafür, dass er mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konsequent seiner Arbeit nachgeht und Sie dabei, wie auch die letzten Tage wieder bewiesen haben, völlig zu Recht schon früh auf den Schirm genommen hat.

Dorothea Marx

Dorothea Marx

Landtags-Vizepräsidentin | Sprecherin für Innenpolitik, Europa, digitale Gesellschaft und Kirchenpolitik (ev.)

Eidesstattliche Erklärung